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Zeitenwende bei VW: Patriarch Piëch verliert Machtkampf und geht


Von Heiko Lossie und Andreas Hoenig, dpa


/27.04.2015/ Bruch mit dem Patriarchen: Der Machtkampf an der VW-Spitze hat mit
dem Rücktritt des Aufsichtsratschefs Piëch eine jähe Wende genommen.
Unklar ist, wie es nun weitergeht bei Volkswagen.

Wolfsburg (dpa) - Mit einem Rücktritt von Aufsichtsratschef Ferdinand
Piëch ist der beispiellose Machtkampf bei Volkswagen zu Ende
gegangen. Eine jahrzehntelange Ära bei Europas größtem Autokonzern
geht so zu Ende. Der 78-jährige Piëch trat am Samstag überraschend
mit sofortiger Wirkung von seinem Amt zurück, wie VW mitteilte.
Begründet wurde dies mit einem zerrütteten Verhältnis zu den anderen
Mitgliedern des innersten VW-Machtzirkels - dem Betriebsrat, dem Land
Niedersachsen und der Familie Porsche.

Piëch war vor zwei Wochen von VW-Vorstandschef Martin Winterkorn
abgerückt. Dies hatte eine Führungskrise ausgelöst, die auch zu einem
Konflikt zwischen den Familien Porsche und Piëch führte. Die beiden
Familien halten die Stimmenmehrheit an dem deutschen Autobauer. Der
frühere IG-Metall-Vorsitzende Berthold Huber übernimmt im
Aufsichtsrat kommissarisch den Vorsitz. Auch Piëchs Ehefrau Ursula
gibt ihr Mandat im Aufsichtsrat ab.




«Die Mitglieder des Präsidiums haben einvernehmlich festgestellt,
dass vor dem Hintergrund der vergangenen Wochen das für eine
erfolgreiche Zusammenarbeit notwendige wechselseitige Vertrauen nicht
mehr gegeben ist», hieß es in einer Erklärung des sechsköpfigen
VW-Aufsichtsratspräsidiums nach einem Krisentreffen am Samstag im
niedersächsischen Braunschweig.

Der Rückzug Piëchs bedeutet eine tiefe Zäsur bei Volkswagen. Piëch,
der Enkel des legendären Autokonstrukteurs Ferdinand Porsche, war von
1993 bis 2002 VW-Chef und überwachte den Konzern anschließend als
Aufsichtsratschef. Er galt lange Zeit als das VW-Machtzentrum und
hatte zahlreiche Konflikte für sich entschieden.

Nach der Demontage seines langjährigen Wegbegleiters Winterkorn aber
stand Piëch zunehmend auf verlorenem Posten. VW-Betriebsratschef
Bernd Osterloh, Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil und
auch Piëch-Cousin und VW-Aufsichtsrat Wolfgang Porsche stärkten
Winterkorn den Rücken.

«Die Diskussion der vergangenen zwei Wochen ist schädlich gewesen für
Volkswagen», sagte Weil am Samstag in Hannover. Das Bundesland
Niedersachsen ist VW-Großaktionär. Das Präsidium des Aufsichtsrates
habe deshalb die «notwendige Klarheit» schaffen müssen. Der frühere
IG-Metall-Chef Huber sprach von einem Vertrauensverlust zwischen
Piëch und dem Rest des Präsidiums, «der sich in den letzten Tagen als
nicht mehr lösbar erwiesen hat».

Piëch hatte vor zwei Wochen ein internes Ringen um die Zukunft der
VW-Spitze öffentlich gemacht, indem er dem Nachrichtenmagazin «Der
Spiegel» sagte, er sei «auf Distanz» zu Winterkorn. Piëchs Kritik
stand auch vor dem Hintergrund der Frage, wie VW seine Probleme etwa
im angeschlagenen US-Geschäft oder bei der renditeschwachen Kernmarke
VW lösen will. Bis zu der Attacke war der 67-jährige Winterkorn als
Piëch-Nachfolger an der Spitze des Aufsichtsrates gehandelt worden.
Mit der Demontage durch Piëch stand plötzlich ein Fragezeichen vor
Winterkorns Zukunft.

Das VW-Aufsichtsratspräsidium aber hatte Winterkorn vor einer Woche
den Rücken gestärkt. Winterkorn sei der «bestmögliche» Vorstandschef
und solle nächstes Frühjahr eine weitere Vertragsverlängerung
erhalten. Sein aktueller Vertrag läuft bis Ende 2016. Das war
offensichtlich eine krachende Niederlage für Piëch, der in dem
sechsköpfigen Präsidium nach Informationen der Deutschen
Presse-Agentur (dpa) isoliert vor einer 5:1-Mehrheit gegen ihn stand.

Am vergangenen Donnerstag dann meldeten die dpa, der Rundfunksender
NDR und die Tageszeitung «Die Welt» übereinstimmend, dass Piëch
versuche, den Beschluss des Sextetts zu unterwandern. Demnach
arbeitete er hinter den Kulissen weiter an der Ablösung Winterkorns,
der nach Piëchs Willen noch vor der Hauptversammlung am 5. Mai
abtreten sollte. Als mögliche Nachfolger habe Piëch Porsche-Chef
Matthias Müller oder Skoda-Chef Winfried Vahland in der Hinterhand.
Wenige Stunden später dementierte Piëch dies und ließ mitteilen: «Wir
haben uns letzte Woche ausgesprochen. Und uns auf eine Zusammenarbeit
geeinigt. Ich betreibe die Ablösung von Martin Winterkorn nicht.»

Piëchs Rücktritt war am Samstagnachmittag ein erneutes Krisentreffen
der Aufsichtsratsspitze vorausgegangen. Am Ende der mehrstündigen
Beratungen stand fest, dass Piëch gehen wird.

Der Sprecher der Familie Porsche, Wolfgang Porsche, sagte: «Wir haben
volles Vertrauen in die Unternehmensführung der Volkswagen AG und
bedauern die Entwicklung der letzten Tage.» Porsche dankte Piëch «für
die Jahrzehnte seines außergewöhnlichen und höchst erfolgreichen
Einsatzes». Die Porsches halten über die Porsche-Holding PSE zusammen
mit dem Piëch-Familienzweig gut 50 Prozent der Stimmrechte bei
Volkswagen. Wolfgang Porsche ist der Chef im PSE-Aufsichtsrat.

Bei der Suche nach einem Nachfolger für Piëch an der Spitze des
Aufsichtsrates will sich das Gremium Zeit lassen. «Der Aufsichtsrat
ist arbeitsfähig, das Management ist voll funktionsfähig», sagte
Weil. Es gebe keinen Grund zur Eile - Ziel sei es, dass das Gremium
einen einstimmigen Vorschlag unterbreite. Ob Winterkorn dabei eine
Rolle spiele, wollten weder Weil noch Huber kommentieren. «Wir werden
dazu keine Aussagen machen. Wir wollen keine Personaldebatte mit
einer anderen ablösen», betonte Weil.

Branchenexperten sehen den Autokonzern nach dem Rücktritt Piëchs vor
großen Herausforderungen. «Eine neue Machtbalance muss gefunden
werden», sagte Stefan Bratzel, Leiter des Center of Automotive
Management in Bergisch Gladbach, am Sonntag der dpa. «Der Konzern
muss sich mittelfristig strukturell neu aufstellen und dezentraler
organisiert werden.» Ferdinand Dudenhöffer von der Universität
Duisburg-Essen sagte, «strahlender Gewinner» des Machtkampfs sei die
Allianz aus dem Arbeitnehmerflügel sowie dem Land Niedersachsen.
Dieser Allianz gehe vor allem um die Arbeitsplätze im «Hochlohnland
Deutschland». Ob VW damit langfristig auf der Gewinnerseite stehe,
sei ungewiss.


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