Nach dem Brexit-
Von Erik Nebel, dpa-
/ 28.06.2016 / Das britische «No» zur EU könnte anderen Finanzzentren eine Schub
geben.
Hoffnungen macht sich unter anderem Frankfurt. Profitiert die
deutsche Bankenmetropole
am Main tatsächlich von den Brexit-
Frankfurt/Main (dpa) -
Brexit-
könnte zum Nutznießer des britischen Nein
zur EU werden. «Frankfurt
wird offen sein für Finanzunternehmen, die nun einen neuen
Standort
benötigen», wirbt Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier, sein
grüner Koalitionspartner
sieht ebenfalls Chancen für Frankfurt.
Steht das Finanzzentrum London vor dem Exodus?
Das
glaubt kaum jemand. «Der Finanzplatz London wird nicht sterben,
aber er wird schwächer»,
sagte Deutsche-
«Handelsblatt» (Montag). Es würde Jahre dauern,
ein neues mit London
vergleichbares Finanzzentrum in Europa aufzubauen, erklärt Gianni
Franco
Papa, Vizechef der italienischen Unicredit. Andererseits
könnte London seine Position
als wichtigster europäischer Standort
für den Handel mit Anleihen und Währungen verlieren,
konstatierte
Bundesbank-
Müssen
Banken nun umsteuern?
Banken brauchen für Dienstleistungen innerhalb der Europäischen
Union
rechtlich selbstständige Tochterbanken mit Sitz in einem EU-
Tritt Großbritannien
aus, könnten Finanzinstitute gezwungen sein,
Personal aus London abzuziehen. Der Verband
der Auslandsbanken in
Deutschland verwies darauf, dass etwa 30 seiner Mitglieder aus
Großbritannien
mit einem «europäischen Pass» tätig sind, der ihnen
bisher den Vertrieb von Finanzprodukten
in ganz Europa erlaubt.
Was spricht für Frankfurt?
Kaum eine Stadt in Deutschland ist besser zu erreichen
als die
Mainmetropole. Zudem locken kurze Wege -
Finanzaufsehern. Die
Europäische Zentralbank (EZB) hat am Main ebenso
ihren Sitz wie die europäische Versicherungsaufsicht
EIOPA. Dazu
kommt ein dichtes Netz an Wirtschaftsprüfern, Anwälten und Beratern -
und:
Frankfurt verfügt über einen Internetknoten, über den 40 Prozent
des europäischen
Datenverkehrs geht. Schon jetzt haben praktisch alle
wichtigen Banken der Welt eine
Dependance in Frankfurt.
Was spricht gegen Frankfurt?
Auch Paris, Madrid und Luxemburg
wollen profitieren. Zudem bevorzugen
viele US-
Hauptstadt Dublin. Vorsichtig sind internationale Bankkonzerne auch
wegen
der starken Arbeitnehmerrechte wie dem umfangreichen
Kündigungsschutz in Deutschland.
Das kennen sie nicht im gleichen
Maße aus London. Zudem ist die Regulierung bei Bankprodukten
in
Irland und Luxemburg nicht so streng wie in Deutschland.
Gibt es schon konkrete
Umzugspläne?
Die US-
dementieren,
sie habe bereits begonnen, 2000 Beschäftigte von London
nach Frankfurt und Dublin
abzuziehen. Konkurrent JPMorgan soll laut
einem Internetportal bereits sechs Bürogebäude
in Frankfurt und vier
in Madrid angemietet haben. Die größte US-
einen solchen Schritt sei es noch viel zu früh. Auch die Deutsche
Bank, die in
London das Herz ihres Investmentbankings hat und dort
gut 8000 Mitarbeiter beschäftigt,
wartet ab. Laut «Frankfurt Main
Finance» aber könnten schon in den nächsten Monaten
etwa 1000 Stellen
vor allem im Euro-
Handelsgeschäften
(Clearing) nach Frankfurt verlagert werden, weil
die EZB diese schnell direkt beaufsichtigen
wolle. Gezählt sind die
Tage der EU-
kommt wegen der Nähe zur EZB-
Frage»,
sagt Lobbyist Väth.
Werden Immobilien in Frankfurt jetzt noch teurer?
Marktkenner rechnen
mit steigenden Preisen, sollten Banken und Banker
von der britischen Insel nach Frankfurt
drängen. Bezahlbarer Wohnraum
ist ohnehin knapp. Im Mittel liegen die Mieten in Frankfurt
nach
Berechnungen des Immobilienportals «immowelt.de» auf Grundlage von
Angeboten aktuell
bei rund 13 Euro pro Quadratmeter, in München sind
es 16,10 Euro. 120 000 Quadratmeter
Büros stehen derzeit in Frankfurt
leer, allerdings meist nicht in besten Lagen. Zudem
sind 280 000
Quadratmeter in Planung. Schon vor dem Referendum hatte Hessens
Wirtschaftsminister
Tarek Al-
suchten in Frankfurt nach neuem Büroraum.
Was
wird aus dem Fusionsplan von Deutscher Börse und LSE?
Bislang halten die Konzerne
unverändert an dem Vorhaben fest. Die
neue Superbörse soll ihren rechtlichen Sitz
in London haben, das
Tagesgeschäft wollen die Unternehmen wie bisher von den Zentralen
in
London und in Eschborn vor den Toren Frankfurts aus steuern. Ob die
hessische Börsenaufsicht
bei einem Brexit grünes Licht für eine
Holding in London geben würde, ist seit der
Abstimmung der Briten
noch fraglicher geworden. Auch das «Ja» der Aktionäre steht
noch aus.