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Deutschland EM-Gruppensieger - Löw ärgert allein der Chancenwucher


Von Klaus Bergmann, Jens Mende und Maximilian Haupt, dpa


/ 22.06.2016 / Chancen en masse, aber nur ein Tor - trotzdem steht Deutschland nach
dem besten Turnierauftritt als Gruppensieger im Achtelfinale. Nun
geht es gegen die Slowakei oder Albanien. Auch wenn das Ergebnis zu
niedrig ausfiel, zeigt der Weltmeister sein bestes Spiel bei der EM.

Paris (dpa) - Mit einem flotten Sprung vom Pressepodium im Pariser
Prinzenpark ließ Joachim Löw die «zähe» EM-Gruppenphase hinter sich.
Nach dem Erreichen des ersten wichtigen Zwischenziels auf der
beschwerlichen Frankreich-Reise des Fußball-Weltmeisters freute sich
der Bundestrainer auf die nun kommenden Alles-oder-nichts-Spiele, für
die er sein Team trotz des im Ergebnis mageren 1:0 gegen Nordirland
bereit sieht. «Ich war zufrieden, wir haben das Spiel total
dominiert», sagte Löw am Dienstagabend.

Allein die Chancenverwertung ärgerte ihn: «Wir müssen schon zur
Halbzeit 3:0, 4:0 führen. Dann hätten wir den einen oder anderen
Spieler schonen können», sagte er mit Blick auf das Achtelfinale am
kommenden Sonntag (18.00 Uhr) in Lille gegen die Slowakei oder
Albanien.

Nur Mario Gomez hatte in 90 dominanten Minuten mit seinem ersten
Pflichtspieltor seit 2012 eine der insgesamt elf Großchancen genutzt.
«Natürlich ärgert uns das», sagte der als «Man of the Match»
ausgezeichnete Spielmacher Mesut Özil. Trotz des Chancenwuchers
reichte der viel zu knappe Erfolg zum Gruppensieg. Immerhin zeigte
das deutsche Team eine deutliche spielerische Leistungssteigerung im
Vergleich zu den vorangegangenen Auftritten gegen die Ukraine (2:0)
und Polen (0:0). «Wenn die K.o.-Spiele kommen, muss man die wenigen
Chance eiskalt verwerten und nicht damit spaßen», forderte Löw mehr
Konzentration vor dem Tor.

Gomez verwertete in der 29. Minute die da bereits sechste große
Einschussmöglichkeit des Weltmeisters. Vor 44 125 Zuschauern schoss
der Matchwinner den 25. deutschen Sieg in der EM-Geschichte heraus.
«Mario Gomez hat das Tor gemacht, das war gut. Wir brauchten in der
Spitze heute einen anderen Stürmertyp», lobte Löw seinen echten
Neuner. Zugleich blieb der dreimalige Europameister in der gesamten
Vorrunde ohne Gegentor, was letztmals beim EM-Titel 1996 gelang.

«Wir sind Gruppenerster, das ist, was zählt bei einer EM. Jetzt
hoffen wir, dass wir auch noch die Tore schießen. Vielleicht haben
wir uns die Tore für die K.o.-Phase aufgehoben», meinte Gomez. Der im
Abschluss glücklose Thomas Müller, der unter anderem Pfosten und
Latte getroffen hatte, betonte: «Wir haben das umgesetzt, was wir
trainiert haben. Nur die Tore haben gefehlt. Allein ich hätte in der
ersten Halbzeit mit Gareth Bale gleichziehen können. Wir waren aber
gierig und haben uns reingebissen.»

Die Spielweise stimmte auch Löw hoffnungsvoll. Mehr Bewegung, mehr
Durchschlagskraft und deutlich mehr Abschlüsse brachte seine zuletzt
kritisierte Mannschaft zustande. Özil gab endlich einen überzeugenden
Spielmacher, Gomez erledigte seinen Hauptjob als Torjäger und auch
die Hereinnahme von Turnierneuling Joshua Kimmich auf der rechten
Seite erwies sich als taktischer Volltreffer.

«Ich bin mit seinem ersten Spiel auf der großen Bühne sehr
zufrieden», lobte Löw den Bayern-Youngster. Sorgen machte vor der
Heimreise ins Quartier am Genfer See allein die Wade von Jérôme
Boateng. Den Abwehrchef holte Löw vorzeitig vom Platz, um keine
schlimme Muskelverletzung zu riskieren: «Ich gehe davon aus, dass er
im Achtelfinale spielen kann.»

Pechvogel im deutschen Team war Müller, der vier Tore hätte machen
können. Der Münchner wartet weiterhin auf sein erstes Tor bei einer
EM-Endrunde. «Ich denke, dass es das nächste Mal bei ihm klappt»,
kommentierte Löw gelassen. Der Auftritt seines Teams hatte ihm
gefallen. Extrem offensiv hatte er sein Team ausgerichtet.

Die Außenverteidiger Kimmich und Jonas Hector agierten fast schon als
Flügelstürmer. Einzig Mario Götze fiel in einer starken deutschen
Mannschaft ab. Das Sorgenkind vom FC Bayern leistete sich viele
Ballverluste und vergab zudem drei gute Torchancen (12./52./53.).

Die deutsche Abwehr war kaum gefordert. Ein harmloser Torschuss von
Jamie Ward (26.), mehr hatte der EM-Neuling nicht zu bieten. An der
Unterstützung des eigenen Anhangs lag es jedenfalls nicht. Lautstark
feuerten die Fans die Green & White Army an, auch Edelfan und
Golfstar Rory McIlroy war eingeflogen. Und richtig gejubelt wurde gut
zwei Stunden später. Durch das 2:0 der Türken gegen Tschechien war
klar: Die drei Punkte reichen den Nordiren zum Einzug ins
Achtelfinale.

«Wir sind schon allein stolz, hier gegen den Weltmeister gespielt zu
haben», hatte Trainer Michael O’Neill nach dem Spiel erklärt.
Besonders Torwart Michael McGovern verhinderte ein mögliches Debakel.
«Seine Teamkollegen haben ihm in der Kabine applaudiert», berichtete
Nordirlands Coach.

Die deutschen Spieler um den für 24 Minuten eingewechselten Kapitän
Bastian Schweinsteiger hakten ihre erste erfüllte Pflicht bei der EM
emotionsloser ab. Nur kurz gingen sie in die Fankurve, nahmen den
Applaus entgegen und bedankten sich für die Unterstützung. Für den
Weltmeister geht das Turnier jetzt erst so richtig los.


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